Juristische Darstellung von Catch & Release

1)Begriffliches zu Catch and Release und Zurücksetzen

Begrifflich sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

  • Als sog. absolutes Catch and Release wird das Fischen mit der Handangel beschrieben, das von Vorneherein und ausschließlich auf das Zurücksetzen von gefangenen Fischen ausgerichtet ist. M.a.W. es steht von Anfang an fest, dass jeder Fisch ausnahmslos zurückgesetzt werden wird.
  • Als einfaches Catch and Release wird der simple Fall beschrieben, dass der/die Angler/in einen entnahmefähigen Fisch im Einzelfall zurücksetzt
     

2) Allgemein zu Catch and Release und Zurücksetzen

Gesetze, Verordnungen und Regelungen

Sämtliche Fischereigesetze enthalten in ihren zu den jeweiligen Fischereigesetzen erlassenen Rechtsverordnungen umfängliche Bestimmungen zu Schonzeiten und Mindestmaßen von Fischen. Ergänzt werden diese Bestimmungen mit von Bundesland zu Bundesland z.T. unterschiedlicher Regelungsdichte um Vorschriften zu

  • Entnahmeverboten bei geschützten Arten,
  • Rücksetzverboten bei ungeschonten Tieren,
  • Rücksetzpflichten.
     

Die Regelungen zu Fangbeschränkungen nach Maß und Zeit definieren zunächst einmal lediglich die Entnahmefähigkeit von Fischen (sog. entnahmefähige Fische), sagen also für sich nichts darüber aus, ob der entnahmefähige Fisch zwingend entnommen werden muss (Entnahmegebot, Rücksetzverbot) oder aber ohne einen Konflikt mit dem Gesetz zurückgesetzt werden kann.

So wie der Gesetzgeber eine grundsätzliche Pflicht zum Zurücksetzen nicht entnahmefähiger (d. h. gesetzlich geschonter) Fische geregelt hat, bedürfte es also einer ausdrücklichen Regelung, dass entnahmefähige Fische (möglicherweise) ausnahmslos zu entnehmen sind. Bei genauer Betrachtung lässt sich eine solche Norm in den Fischereigesetzen nicht nachweisen:

a)
Die fischereirechtlichen Vorschriften der meisten Bundesländer (z. B. Berlin, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen) enthalten keinerlei Aussage im Umgang mit das Mindestmaß überschreitenden, außerhalb der Schonzeit gefangenen Fischen (entnahmefähige Fische). Regelungsbereich seiner Hegevorgaben fallen, zurückzusetzen hat (individuelles Rücksetzgebot bzw. Entnahmeverbot).

b)
Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch dann nicht, wenn man Bundesländer betrachtet, in denen es unter dem Thema Tierschutz spezifischere Regeln zum Umgang des Anglers mit dem Fisch gibt:
Soweit in Hessen (§ 10 Abs.3 HVO), im Saarland (§10 Landesfischereiordnung) oder in Schleswig-Holstein (§ 39 LFischG –SH) das Fischen mit der Handangel, das von (Vornherein) auf das Zurücksetzen von gefangenen Fischen ausgerichtet ist (in den genannten Vorschriften etwas unglücklich, weil ungenau, als Catch and Release definiert, siehe oben)), verboten wird, regeln die zitierten Bestimmungen ausschließlich eine bestimmte Form des Fischens, d.h. schon ihrem Wortlaut kann ihnen ein unter Bezugnahme auf die gesetzlich festgelegten Schonmaße und Schonzeiten festgelegtes Rücksetzverbot bzw. Entnahmegebot nicht entnommen werden. Verboten ist in diesen Normen also ausschließlich das Angeln (ob erfolgreich oder nicht), das vollständig entkoppelt ist von jeder Verwertung.
Hierüber sagt das tatsächliche Zurücksetzen ( relatives C and R) im Einzelfall rein gar nichts aus.

Nicht umsonst hat das Land Hessen in der aktuellen HVO davon abgesehen, das im Entwurf für diese Verordnung vorgesehene Rücksetzverbot ( § 10 Abs.3 Entwurf HVO 2016) umzusetzen. In der Tat hätte man sich in diesem Fall von der bisher (zu Recht) der HVO hinterlegten Vorstellung vom sog. verantwortungsvollen Angler endgültig verabschiedet. Was übrigens und am Rande ein zwingender Beleg dafür ist, das sog. C and R, in welcher Variante auch immer, etwas grundsätzlich anderes als Rücksetzverbot/ Entnahmegebot ist. Wollte der Gesetzgeber genau dies, könnte er es in einigen wenigen und jedermann verständlichen Worten eindeutig regeln.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass selbst auf der Basis des § 39 LFG-SH, erst jetzt in der aktuellen Version ( Hinzufügung des Wortes ‘‘nur‘‘, Streichung des Begriffes C and R) ein Angler einen (entnahmefähigen) Fisch rechtskonform zurücksetzen kann, wenn er grundsätzlich verwertungsbereit war, sich aber im Einzelfall aus nachvollziehbaren, vernünftigen und vor allem ökologischen Gründen (ergo verantwortungsbewusst) dafür entschied, diesen konkreten Fisch zurückzusetzen ( z. B. weil der Fisch nicht zum Verzehr geeignet war oder versehentlich ein besonders großes Tier mit vielen Eiern kurz vor der Laichzeit angelandet wurde).

Selbst im Falle von Bayern und dem dort existierenden § 11 Abs.8 AVBayFIG kommt man am Ende zu keinem anderen Ergebnis, da diese Regelung extrem unglücklich und jenseits des eigentlichen Zwecks formuliert wurde. Ziel war nicht die Schaffung eines Rücksetzverbotes/Entnahmegebotes, sondern (lediglich) die Klarstellung, dass aus hegerischen Gründen nicht zurückgesetzt werden darf.

Betrachtet man das Thema zuletzt ergänzend unter eher sachlichen und praktischen Gesichtspunkten, kommt hinzu, dass der Angler im Regelfall schlicht und einfach keinen Einfluss darauf hat, welcher Fisch an den Haken geht und welcher nicht. Angeln ist etwas grundsätzlich anderes als Jagd. Das bedeutet, selektives Fischen mit dem Ergebnis der Anlandung ausschließlich entnahmefähiger und für den Angler sinnvoll verwertbarer Fische ist praktisch nicht möglich. Landet der Angler einen gemäß Gesetz als entnahmefähig definierten Fisch, den er aber z. B. aufgrund seiner Größe gar nicht vernünftig verwerten kann, wäre es geradezu widersinnig, von ihm zu fordern, diesen Fisch töten zu müssen, obwohl er ohne weiteres mit höchster Überlebenswahrscheinlichkeit zurückgesetzt werden kann. Hierzu ergänzend, was die praktische Umsetzung/ Kontrolle betrifft: Die kontrollierenden Institutionen können doch nur feststellen, dass ein entnahmefähiger Fisch entnommen und getötet wurde. Der vernünftige Grund aber liegt nicht im Töten selbst, sondern in der sinnvollen Verwertung. Das aber wird garantiert nicht kontrolliert.
 

c)
Zu klären bleibt zuletzt, ob ein Rücksetzverbot/ Entnahmegebot unmittelbar aus dem TSG hergeleitet werden kann.

Entscheidender Anknüpfungspunkt für §§ 1,17,18 TSG ist der sogenannte vernünftige Grund. Kein Tier darf ohne vernünftigen Grund getötet werden. Keinem Tier dürfen Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund zugefügt werden.


Hierzu allgemein:
Dieser ,,vernünftige Grund‘‘ ist nicht legal definiert, vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der folglich der Konkretisierung durch die Verwaltung und Rechtsprechung bedarf, da es dem Gesetzgeber aufgrund der vielfältigen Vorgänge der Lebenswirklichkeit nicht möglich war, diese anders umfassend und abschließend darzustellen.

Vernünftig ist ein Grund, wenn er als triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tiers an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlbefinden, wobei sich die am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung aus dem Leitgedanken der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf des § 1 S. 1 TierSchG ergibt.
Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ein solcher vernünftiger Grund vorliegt, ist der persönliche Beweggrund des Handelnden.

Das hiermit verfolgte Interesse muss sowohl sozial akzeptiert sein, als auch den Vorstellungen der billig und gerecht Denkenden entsprechen, also derjenigen, die sich mit der Sachlage auseinandergesetzt haben.

Liegt ein solches Interesse vor, muss – soweit der Fall nicht bereits durch den Gesetzgeber geregelt wurde – eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Güter- und Interessenabwägung zwischen der belastenden Handlung und dem Handlungszweck im Einzelfall stattfinden. Die Handlung muss also geeignet sein den Handlungszweck zu erreichen und es darf keine weniger beeinträchtigende Maßnahme bei gleicher Wirksamkeit in Betracht kommen. Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit ist schließlich das anthropozentrische Vernunftsinteresse mit dem Interesse an einem möglichst weitreichenden Tierschutz abzuwägen ( siehe Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Ausarbeitung WD 5 – 3000-059/ 2012).

Soweit die allgemein anerkannte, in der Tat ziemlich komplizierte Theorie, die im Zweifel darüber entscheidet, ob sich jemand (im vorliegenden Kontext der einzelne Angler) strafbar gemacht hat oder nicht.

Zweiter Punkt:
Die Frage des sog. vernünftigen Grundes stellt sich nicht, wenn der jeweilige Angler seinem Hobby nach Maßgabe des jeweiligen LFischG gesetzeskonform nachgeht. Das Angeln ist per se, da ausdrücklich erlaubt und gesetzgeberisch umfassend geregelt, ‘‘vernünftig‘‘, so dass es eines individuellen Rechtfertigungsgrundes ( über § 17 TSG) nicht bedarf. Damit ist jede Einwirkung auf den Fisch, die notwendigerweise mit dem Angeln verbunden ist ( zB Hakung, Drill) legitimiert, ohne dass der Angler ein Bekenntnis dafür ablegen muss, selbstverständlich besitze er die sog. Verwertungsabsicht. Seine Motive sind nicht nur rechtlich irrelevant, sondern ebenso auch vielfältig!

Hierzu konkret:
Mit überzeugenden Gründen hat das Landgericht Münster mit Beschluss vom 7.3. 2016 – 2Kls 540 JS 290/ 15 – 7/15 nicht nur erhebliche Zweifel an der Verfassungsgemäßheit des § 17 TSG (Stichwort Bestimmtheitsgebot iVm Ordnungswidrigkeit) geäußert, sondern dargelegt, bei einer per Gesetz umfassend geregelten Materie ( wie das Fischereirecht) sei es Aufgabe des Gesetzgebers, Ge-und Verbote, Rechte und Pflichten zu regeln, und nicht Aufgabe der Gerichte, diese über Drittvorschriften ( wie das TSG) in bestehendes Recht (hier Ordnungsrecht!) hineinzuinterpretieren.

Ich halte diesen Ansatz für richtig. Bedeutet: Das Angeln selbst bedarf keiner besonderen Rechtfertigung oder gar Motivforschung. Die Rahmenbedingungen bestimmt das jeweilige Landesfischereigesetz selbst. Finden sich in diesem Gesetz – seiner Rechtsnatur nach übrigens Ordnungsrecht – keine Aussagen zum Thema Entnahmepflicht, gibt es sie nicht und es verbietet sich, diese über §§ 17,18 TSG hineinzuinterpretieren.

 

Das TSG wird also erst dann relevant, wenn im Einzelfall nachweisbar besondere Umstände hinzukommen, die mit gesetzeskonformen Fischen nichts mehr zu tun haben. Solche Umstände können sein:

  • das unnötig lange Halten des Fisches außerhalb des Wassers, um die üblichen, der Selbstdarstellung dienenden Fotodokumentationen zu machen
  • das Freisetzen eines angelandeten Fisches, um ihn wiederum zum Vergnügen an den Haken zu nehmen
  • das überflüssige Verlängern eines Drills aus reinem Spaß
  • das nicht umgehende Töten eines angelandeten, zur Verwertung bestimmten Fisches
  • das Angeln ohne jede Verwertungsabsicht ( in einzelnen Fischereigesetzen geregelt), soweit diese grundsätzlich nicht bestehende Verwertungsbereitschaft zwingend aus den Umständen des konkreten Einzelfalls geschlossen werden kann.
  • das Töten eines Fisches mit anschließender Entsorgung
     

Wenig überraschend ist es deshalb, dass in der gerichtlichen Praxis noch kein Angler auf der Grundlage des § 17 TSG allein deshalb verurteilt wurde, weil er einen entnahmefähigen Fisch zurückgesetzt hat. Immer kam es auf das Vorliegen besonderer Umstände im o.g. Sinn an, also solcher Umstände, die über den Vorgang des Entnehmens/ Zurücksetzens hinausgingen (z.B. das überlange Belassen eines gefangenen Fisches außerhalb des Wassers zwecks fotografischer oder filmischer Dokumentation).


Als Randbemerkung:
Nach § 17 TSG bedarf die Tötung eines Wirbeltieres eines vernünftigen Grundes. D.h. es stellt sich die Frage, ob die finale Entnahme eines Fisches vernünftig war oder nicht. Vernünftig wird die Tötung erst dann, wenn der Fisch tatsächlich sachgerecht verwertet wird/ wurde. Da aber genau das de facto außerhalb jeder Kontrollierbarkeit liegt, würde ein Rücksetzverbot/ Entnahmegebot im Zweifel eher das sinnlose Abschlagen befördern, statt dafür zu sorgen, dass eine sinnvolle Verwertung stattfindet.


Letzter Punkt:
Der vernünftige Grund ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal, egal ob auf der Ebene des Tatbestandes einer Norm oder aber auf der Ebene eines Rechtfertigungsgrundes. Dessen Vorliegen/ Nichtvorliegen kann man nur an äußeren Umständen des jeweiligen Einzelfalles festmachen, dh auf der Basis eines objektiven Sachverhaltes schließt der Rechtsanwender schlüssig und begründet auf subjektive Elemente, die die jeweilige Norm vorschreibt. Diese Verfahrensweise hat rein gar nichts mit dem Ablegen von Bekenntnissen oder aber mit Motivforschung zu tun. Die Frage der Strafbarkeit oder Nichtstrafbarkeit kann doch nicht ernsthaft davon abhängen, dass ein Angler entweder das richtige oder aber das falsche Bekenntnis ablegt. Wenn das Zurücksetzen eines einzelnen entnahmefähigen Fisches aber nach jeweiligem LFischG erlaubt, weil nicht ausdrücklich verboten ist, sagt dieser Vorgang für sich nichts aus darüber, ob der Angler das richtige oder aber falsche Motiv hat. D.h. das Zurücksetzen selbst ist als Anknüpfungspunkt für § 17 TSG aussagelos und irrelevant.

 

Rechtsvergleich Schweiz

Art 23 Abs.1 Buchst.a TSchV bestimmt, dass das Angeln mit der Absicht, die Fische wieder freizulassen, verboten ist.
In der Sache handelt es sich um das Verbot des sog. absoluten C&R, d.h. im Grundsatz findet man die gleiche Rechtslage vor, wie sie u.a. in Schleswig Holstein besteht.
Interessant sind jetzt die Erläuterungen hierzu des Bundesamtes für Umwelt BAFU vom 12.8. 2014 – Referenz/Aktenzeichen NO92-1355 unter der Überschrift Vollzugshilfe Angelfischerei – Freilassen von Fischen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das BAFU folgende Ansätze vertritt:

  • Rechtsklarheit
  • Praktische Umsetzbarkeit ( Stichwort Kontrollierbarkeit)
  • Eigenverantwortung des Anglers, zu dessen Gunsten ein sog. ökologischer Grund für das Zurücksetzen eines entnahmefähigen Fisches vermutet wird.
  • Sinnvolle Entwicklung des Angelns statt Einzelfallsanktionierung

 
Analyse, Handlungsoptionen zu Catch and release und Zurücksetzen

In Deutschland gibt es bis heute eine große Unsicherheit im Hinblick auf Bedeutung und Umsetzbarkeit des sog. C&R Verbotes. Hiermit korrespondiert die Strategie sog. Tierrechtsorganisationen, Anzeigen wegen Verstoßes gegen das TSG schon dann zu erstatten, wenn ein einzelner Fisch zurückgesetzt wurde, ohne das auch nur ein Interesse daran besteht, sich mit den Umständen des Einzelfalls zu beschäftigen.
Analysiert man diese Fälle näher, stellt man fest, dass die Strafverfahren im Regelfall mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt werden und nur im Ausnahmefall mit einer Sanktionierung des Anglers enden. Diese Ausnahmefälle betreffen durchweg nicht die von den Anzeigeerstattern immer wieder gerne behauptete Strafbarkeit des Zurücksetzens an sich, sondern haben immer mit den oben dargestellten besonderen Umständen zu tun ( siehe nur Fall Augenthaler, bei dem es um die Art und Weise der Fotodokumentation, nicht aber um das Releasen ging).


Aus meiner Sicht macht es deshalb Sinn, gerade die Vorschriften, die das sog. C&R oder aber Entnahme/ Rücksetzpflichten betreffen, so klar zu formulieren, dass sie Handlungssicherheit für den Angler, aber auch Anwendungssicherheit für die Rechtsanwender schaffen. Dies gilt umso mehr, als Verbote regelmäßig an Ordnungswidrigkeitentatbestände angeknüpft sind. Für derartige Tatbestände gilt wie für Straftatbestände das sog. Bestimmtheitsgebot des Art 103 2 Abs.GG, d.h. der Normadressat muss erkennen können, was sanktioniert wird und was nicht.


Siehe https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/08/1-bvr-2717-08.php

Hinzu kommt der Ansatz sog. Vollzugsfähigkeit.

Bedeutet:
Wenn man Normen formuliert, die in der Praxis nicht halbwegs eindeutig umsetzbar sind, hat man ein echtes Problem. Genau darauf zielt übrigens der Ansatz der Schweizer, die auf abstrakt rechtlicher Ebene eine ähnliche Ausgangsposition wie in Deutschland  haben.


Hieraus ergibt sich nach meiner Einschätzung:

Die gesetzliche Festschreibung eines grundsätzlichen Rücksetzverbotes bei entnahmefähigen Fischen ( Verbot des einfachen C&R) macht in der Sache schon deshalb keinen Sinn, weil es von Fall zu Fall eine Vielzahl sachlich nachvollziehbarer Gründe gibt, einen entnahmefähigen Fisch zurückzusetzen. Zunächst einmal ist es so, dass das Angeln im Unterschied zur Jagd bei aller Spezialisierung immer ein Überraschungspaket ist. D.h. erst bei der Anlandung stellt sich heraus, ob der konkrete Fisch für den Angler sinnvoll verwertbar ist oder nicht. Der Jäger hingegen trifft diese Entscheidung durch gezieltes Ansprechen vor Abgabe des tödlichen Schusses. Zweitens ist es so, dass der eigentlich entscheidende Punkt für die Entnahme und Tötung eines Fisches, nämlich die tatsächliche sinnvolle Verwertung, einer behördlichen Kontrolle de facto entzogen ist, es sei denn, es wird der Behörde zur Kenntnis gebracht, dass ein Angler Fische entsorgt hat.

Im Ergebnis befördert ein Rücksetzverbot also eher den Effekt sinnlosen Tötens (Stichwort Abschlagen), als dass er dem Tierschutz/ Naturschutz dient. Hinzu kommt, dass die sog. selektive Entnahme (Catch & Decide) in der Öffentlichkeit eher positiv wahrgenommen wird (vgl. hierzu Arlinghaus), d.h. die Kritik an dieser Praxis wird eher von Gruppierungen formuliert, die ein sehr spezifisches Eigeninteresse verfolgen.
Was das Verbot des sog. absoluten C& R betrifft, ist es aus meiner Sicht im Grundsatz durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber dies als fischereirechtswidrig bezeichnet, da die vollständige Entkoppelung des Angelns von der Verwertbarkeit den Fisch als Lebewesen zum reinen Vergnügungsobjekt degradiert.

Umso problematischer ist es aber, wie man dieses Verbot staatlich durchsetzen, ggfs. sogar sanktionieren kann.
In diesem Kontext ist darauf zu verweisen, dass es immer der Angler ist, der gerade im Fall des Zurücksetzens eine Entscheidung treffen muss. Er selbst trägt die Verantwortung, besitzt im Hinblick auf die Abwägung einen Beurteilungsspielraum, dessen Ergebnis eigentlich nur dann in Frage gestellt werden kann, wenn offenkundig und nachweisbar ist, dass er diesen Spielraum sachwidrig nur im Sinne seiner subjektiven Bedürfnisse, nicht aber auch unter Berücksichtigung der Interessen des Lebewesens Fisch ausgenutzt hat.

Nach meiner Einschätzung sind diese Fälle eher die Ausnahme. Entweder outet sich der Angler selbst, z.B. über soziale Medien, als konsequenter und grundsätzlicher C&R Fischer, oder ihm kann im Rahmen einer Langzeitbeobachtung nachgewiesen werden, dass er keinerlei Bereitschaft besitzt, einen Fisch lethal zu entnehmen.

Letzter Aspekt: Die aktuelle Rechtsanwendungspraxis zum Thema C&R erweist sich insbesondere dann als problematisch, wenn sie kombiniert wird mit einer allein unter sachlichen Gesichtspunkten zumindest nachvollziehbaren Tagesfangbeschränkung (siehe Dorsch sowie die hierzu von der engagierten Anglerschaft zu Recht formulierten Einwände) oder einem kompletten Entnahmeverbot ( siehe Wolfsbarsch). Im Ergebnis läuft dies im Hinblick auf die genannten Fische auf ein Angelverbot ( § 39 LFischG S-H ist ein solches) hinaus. Die ministeriellen Regelungen aus S-H hierzu sprechen eine eindeutige Sprache.

Vgl: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/F/fischerei/faqDorschfangbegrenzung.html

Beispiel: Wenn ein Angler auf dem Kutter innerhalb kurzer Zeit sein Tagesfanglimit erreicht, muss er zumindest nach Auffassung der Exekutive das Angeln komplett einstellen, falls er sich auf einem Spot befindet, auf dem gezielt (via Echolot geortet) Dorsche befischt werden. Begründung: Das Baglimit ist nicht übertragbar und ab dem 6. Fisch angelt der Angler von Anfang an ohne jede Verwertungsabsicht, da er den Fisch zurücksetzen muss und auch zurücksetzt.
Gleiches Ergebnis beim Wolfsbarsch. Solange dieser komplett geschützt ist/ war, also ein vollständiges Entnahmeverbot bestand, könnte man durchaus auf die Idee kommen, schon das Befischen unabhängig vom Erfolg als absolutes C& R zu qualifizieren, da dieser Fisch ausnahmslos zurückgesetzt werden muss. Genau das aber wäre ein Angelverbot.


Interessant ist jetzt, wie man dieses Dilemma entschärft. Es gilt die Theorie des sog. Zufallsfisches. Ein Wolfsbarschangler – so sein Bekenntnis – sieht es gleichzeitig auf Makrele und Hornhecht ab, so dass ihm der Wolfsbarsch nur zufällig an den Haken ging. Der Dorschangler wechselt die Methodik oder seinen Standort. Und schon wird aus dem Dorsch als Zielfisch ein Zufallsdorsch.
Aus meiner Sicht zeigt sich gerade in dieser fast schon künstlichen Konstruktion der Theorie des sog. Zufallsfisches, dass die gesamte C& R Diskussion einer stringenden Logik entzogen und im Übrigen auch nicht rechtssicher umsetzbar ist. Bei welchen konkreten Sachverhalten will man denn von Zielfisch – oder Zufallsangler sprechen? In Wirklichkeit geht es also nur um die Kreierung von Ausreden, die der Angler entweder beherrscht (so dass er aus dem Schneider ist) oder aber nicht beherrscht ( so dass er sanktioniert wird).


Die sachgerechte Antwort kann eigentlich nur sein, dass die Fischereigesetze den sog, verantwortungsvollen Angler anerkennen, der im Sinne des Catch & Decide Prinzipes darüber entscheidet, welchen Fisch er verwerten möchte und welchen nicht, was schon deshalb folgerichtig ist, weil das Fischereirecht ein Rücksetzverbot bei entnahmefähigen Fischen eben nicht kennt (s.o.).


Im Hinblick auf das Thema C&R in der Variante des absoluten C&R bedeutet dies, dass dies betreffende gesetzliche Regelungen, so sie denn für notwendig gehalten werden, ihren Sinn ausschließlich darin haben, eine Fischerei als nicht gesetzeskonform zu beschreiben, die vollständig entbunden von jeder Nutzung des Fisches ist. So wie es völlig sinnlos ist, Fische mit dem Schleppnetz zu fangen, um sie sämtlichst wieder von Bord zu kippen, ist es sinnlos, Fische mit der Handangel zu fangen, ohne dass es irgendwie um Nutzung geht, der Fisch als Lebewesen also ausschließlich und nur Gegenstand individueller menschlicher Belustigung ist.


Hinzu kommt, dass bei EU rechtlichen Baglimits oder gar Entnahmeverboten das eigentliche Problem in der innerstaatlichen Umsetzung liegt. Auf EU Ebene ( siehe Wolfsbarsch) ist das Thema C&R völlig unproblematisch.

In Summe:
Weitaus hilfreicher wäre es, das Prinzip des verantwortungsbewussten Anglers grundsätzlich anzuerkennen und im Sinne einer Vermutung davon auszugehen, dass dieser Angler einen vernünftigen Grund hat, wenn er im Einzelfall einen Fisch nicht verwertet und zurücksetzt. Damit kommt eine Sanktionierung nur dann in Betracht, wenn aufgrund besonderer Umstände des konkreten Einzelfalls eindeutig nachweisbar ist, dass das Angeln ohne jeden Bezug zur (otionalen) Verwertung ausschließlich zur Befriedigung einseitiger persönlicher Bedürfnisse betrieben wird, die o.g. Vermutung also argumentativ zwingend widerlegt werden kann.

Wenig Problem lösend ist es hingegen, sich verwaltungsseitig immer weitere Fallgruppen – selbstverständlich mit entsprechender Ausnahmevariante garniert – einfallen zu lassen, die erstens nicht kontrollierbar sind, zweitens eher dazu motivieren, sich den richtigen Antwortenkatalog zu kreieren, drittens eher Unsicherheit als Handlungsklarheit schaffen für all die Angler, die die Ausnahme von der Ausnahme in den Fällen 1 bis 100 eben nicht kennen.

Subjektive Motive durch Einzelfalllösungen zu objektivieren, misslingt immer!

Abschließend:
Wenn man als Gesetzgeber der Auffassung ist, es bedarf einer Regelung, dass die Ausübung der Fischerei, die von Anfang an, nur und ausschließlich darauf abzielt, Fische zu fangen und zurückzusetzen, nicht dem Fischereirecht entspricht, dann kann eine solche Regelung nur die Aufgabe besitzen, zu definieren, was Fischen im Sinne des LFischG ist und was nicht. Diese Regelung aber als Verbotsnorm auszugestalten und mit einem Ordnungswidrigkeitentatbestand zu verkoppeln, macht angesichts der Unsicherheit/Willkürlichkeit in der Umsetzung keinen Sinn. Sie hilft weder den Anglern, die keine Handlungssicherheit angesichts der Schwammigkeit der Norm haben, noch den Rechtsanwendern (Exekutive, Justiz), die sich immer wieder in überraschende Widersprüche verstricken und im Ergebnis den Eindruck erwecken, die jeweilige Entscheidung habe eher etwas mit der subjektiven Befindlichkeit des Entscheiders als damit zu tun, dass eindeutig und klar formuliertes Recht zu richtigen Entscheidungen führt.

Raimund Müller

Text ist von folgender Internetseite:

https://www.netzwerk-angeln.de/infocenter/hintergruende/227-juristische-problemstellung-catch-and-release-zuruecksetzen-entnahmefaehiger-fische.html